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Kino und Theater

Radio und Film waren die neuen Medien der 1920er Jahre. Sie standen für die Modernität der Weimarer Gesellschaft. Es war eine Zeit des Aufbruchs und des Experimentierens.

Liberale Demokratie, kürzere Arbeitszeiten und der Medienkonsum veränderten die kulturelle Landschaft. Kunst, Kommerz und ein neues Lebensgefühl prägten den Durchbruch der Massenkultur. Exemplarisch dafür steht die Anzahl von Kinos im Deutschen Reich, die sich in zehn Jahren von 2836 (1919) auf 5978 (1929) verdoppelte.

  • Welche Bedeutung hatte das Kino?
  • Welche Filme wurden gezeigt?

Viele Stummfilme der 1920er Jahre trugen zur Lockerung traditioneller Geschlechterrollen bei. Kulturelle Schranken wurden durchlässiger und soziale Unterschiede überbrückt. Internationale Kassenschlager weiteten den Blick der Kinobesucherinnen und Kinobesucher in die Welt.

Die Töne und Bilder, die gesendet wurden, waren zugleich ein Spiegel der Gesellschaft als auch der Motor ihrer Veränderungen. Heute richtet sich der Blick vor allem auf die „Goldenen Zwanziger“ in den urbanen Metropolen New York oder Berlin. Die Kultur der Zwanziger Jahre fand allerdings auch in den kleineren Städten statt. 

Rundfunk-Empfangsgeräte waren relativ teuer. Während sich nur wenige ein eigenes Radio leisten konnten, war der Kinobesuch dagegen für viele erschwinglich. Das Kino wurde daher auch als „Theater der kleinen Leute“ bezeichnet.

Nach der Inflation 1923 lag der Durchschnittspreis der Eintrittskarten bei ca. 0,80 RM. Bis zur Mitte der 1920er Jahre stiegen die Besucherzahlen auf 250 Millionen. Am Ende des Jahrzehnts waren es bereits 320 Millionen. Durchschnittlich ging ein Erwachsener sieben Mal im Jahr ins Kino.

Schon damals existierte eine weit verbreitete Vorstellung über das Kinopublikum. Zu ihm wurden Arbeiter, emanzipierte Frauen und generell die Jugend gezählt. Im Vergleich zu den älteren Generationen bestand tatsächlich ein größeres jugendliches Interesse. Das Bild vom jungen Kinopublikum entsprach aber nur zum Teil der Realität. Als Klischee diente es vor allem den selbsternannten Jugendschützern. Diese warnten vor einer Kinosucht von Kindern und Jugendlichen, wodurch moralische Vorurteile bedient und eigene Schundvorwürfe gegen den Film gerechtfertigt wurden.

Aus Haushaltsrechnungen ist bekannt, dass sich Jugendliche gelegentlich einen Kinobesuch leisten konnten. In Berlin wurde Anfang der 1930er Jahre ermittelt, dass ein Sechstel der Jugendlichen unter 25 Jahren ungefähr einmal in der Woche ins Kino ging. Rund die Hälfte ging nur einmal im Monat und ein Drittel gar nicht. Den Kinofachzeitschriften zufolge waren die meisten Stammkunden Kinogänger eher mittleren Alters. Sie hatten für den Kinobesuch genügend Freizeit und ein gutes Einkommen.

Kinos im Deutschen Reich

Jahr Kinos
19253878
19264293
19274462
19285267
19295978
19305059

Hans Helmut Prinzler: Chronik des deutschen Films 1895–1994, Stuttgart 1995, S. 41.

Die deutsche Kinolandschaft war bunt und vielfältig. In der Mehrheit waren kleine Nachbarschafts- bzw. Stammkinos, die ein lokales Publikum ansprachen. Dreharbeiten von Stummfilmen waren damals relativ preiswert. So konnte eine breite Auswahl an Filmen produziert werden. In Deutschland existierten bis zur Durchsetzung des Tonfilms (ab 1929) mehr als 400 deutsche Produktionsfirmen. Allein sie brachten jährlich 180 bis 250 neue Filme heraus. Dazu kamen 300 Filme aus dem Ausland, so dass jede Woche 10 neue Filme in die Kinos kamen.

Das große Angebot erklärt die sehr unterschiedlichen Kinoprogramme. Die internationalen Kassenschlagern waren in den großen Kinopalästen zu sehen. Etliche der Stummfilmproduktionen wurden dagegen nur in lokalen Kinos gezeigt. Warum auch diese beliebt waren, erklärten die Betreiber des UFA-Palastes in Erfurt so: „Die Vorführung eines kleinen Filmes, welcher stadtbekannte Vorgänge bringt und auf dem eventl. die Besucher selbst oder deren Freunde und Bekannte zu sehen sind, übt sicher einen großen Anreiz auf das Publikum zum Besuche des Theaters aus.“ (zit. nach Karl Christian Führer. In: Historische Zeitschrift 1996/1, S. 780.)

Viele Stammkinos wurden in Kneipen oder Gaststätten eingerichtet. Man saß dort oft eng gedrängt. Der Saal war verraucht und laut. Szenen und Handlungen auf der Leinwand wurden durch Zwischenrufe kommentiert.

In den Kinopalästen kostete der Eintritt das Doppelte. Um ein zahlungskräftiges Publikum anzulocken, waren die großen Kinos daher Theaterhäusern nachempfunden. Es gab geschlossene Vorstellungen, nummerierte Sitzplätze, Garderoben und Pförtner.

In Gotha existierten in den 1920er Jahren mehrere kleine Kinos: die „Hauptmarkt-Lichtspiele“, das Kino „Weisse Wand“, das Kino „Steinmühle“, das „Lichtspieltheater Schlosshotel“ und das Kino „Mohrenberg“.

1922 öffnete das „Astoria“ im Thüringer Hof mit zunächst 310 Plätzen. Nach einem Umbau 1926 waren es bereits 800 Plätze.

1927 wurde außerdem das Capitol mit 600 Plätzen eingeweiht. Die Filme liefen jeweils von Dienstag bis Donnerstag bzw. von Freitag bis Montag. Das Kinoprogramm wechselte also zweimal in der Woche. An den Wochenenden gab es gesonderte Kinder- und Jugendvorstellungen.

Der erste Tonfilm in deutscher Sprache wurde in Gotha am 28. März 1930 im Kino Capitol gezeigt. Die dramatische Handlung der britischen Filmproduktion „Atlantik“ war an den Untergang der Titanic angelehnt.

Thomas Elsaesser: Das Weimarer Kino – aufgeklärt und doppelbödig, Berlin 1999.

Karl Christian Führer: Auf dem Weg zur „Massenkultur“? Kino und Rundfunk in der Weimarer Republik. In: Historische Zeitschrift, Band 261 (1996), Heft 1, S. 739-781.

Karin Herbst-Meßlinger, Rainer Rother, Annika Schaefer (Hg.): Weimarer Kino neu gesehen, Berlin 2018.

Siegfried Kracauer: Von Caligari zu Hitler. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Films, Hamburg 1959.

Corey Ross: Zwischen geteilter Kultur und zerteilter Gesellschaft. Zur Sozialgeschichte der „neuen Medien“ in der Weimarer Republik. In: Geschichte in Unterricht und Wissenschaft 9/10 (2011), S. 530–545.

Heide Schlüpmann: Ein feministischer Blick. Dunkler Kontinent der frühen Jahre. In: Wolfgang Jacobsen, Anton Kaes, Hans Helmut Prinzler (Hg.): Geschichte des deutschen Films, 2. Auflage, Heidelberg 2004, S. 511–524.

Eva Schiffmann

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